Seitenwechsel

Endlich! Wir segeln wieder!

Haben nach gestrigen 40 Knoten Wind direkt auf die Nase und einer anfangs sehr unruhigen Nacht vor Anker in der Hope Bay im Antarctic Sound nun moderate 25 Knoten Wind aus WSW. Das zuletzt mangels Wind und / oder zu viel Eis vertraut gewordene, aber dennoch unbeliebte Geräusch von Mr. Perkins ist verstummt und hat Platz gemacht. Zwar nicht der Stille im herkömmlichen Sinne, aber der Stille des Segelns: dem Pfeifen des Windes in den Segeln und Wanten, dem Gurgeln des Wassers entlang des Rumpfes, dem Rauschen und Schlagen einer überkommenden Welle und Rumpeln und Klappern des Geschirrs in den Schränken. Drei Segel sind gesetzt: die Fock, das Groß im dritten Reff, der Besan. Die Selma rauscht mit 11 Knoten dahin.

Auch die Sonne der letzten Tage hat sich gestern Abend mit einem Finale furioso von uns verabschiedet: goldgelb, orange leuchtende Wolken, vom starken Höhenwind teils zu geschichteten Linsen verweht, dramatisch leuchtend vorm düster dunkelgrauen Himmel. Sie hat Platz gemacht für einen bleigrauen verwaschenen, nebligen Himmel über schwer bewegter See in der Farbe von Schwarzstahl. Komplettiert vom Weißgrau, graublau, weißblau, oder tiefblau vorbeiziehender Eisberg Giganten – manche im fernen Dunst vorbeitreibend, mal perfekte geometrische Formen, mal Märchenschlössern oder Hochhäusern ähnelnd, einige in fast schon beunruhigender Nähe, zum Greifen nah. Man meinte, man könne die Hand ausstrecken und hinüber langen, um diese glatt schimmernde Oberfläche zu berühren.

Nach gut einer Woche im Weddell Meer auf der Ostseite der Antarktischen Halbinsel ist es Zeit für einen Seitenwechsel. Wir haben gestern den Antarctic Sound passiert und sind nun unterwegs in der Bransfield Strait. Ziel der nächsten Etappe ist die Westseite der Peninsula. Allerdings zwingt uns der Wind zu einem Umweg über, oder zumindest in die Richtung der South Shetlands. Doch wir sind flexibel und haben Zeit, daher freuen wir uns über die Ruhe und den Rhythmus, den das Segeln eines größeren Schlages mit sich bringt. Uns wachsen wieder Seebeine, wir genießen (bis auf ein Opfer der Seekrankheit) die souveränen Bewegungen der Selma im Spiel der Wellen, die visuelle Reduktion auf Himmel, Horizont und Ozean und die Gelegenheit, die unzähligen Eindrücke der vergangenen Tage zu verarbeiten.

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