Am Tag danach

Dieser Morgen ist anders. Und alles andere als gut.

Ich sitze hier im Bootshaus, unserer Unterkunft, mit meinem ersten Kaffee in der Hand, blicke aus dem Fenster auf den Hafen. Eigentlich ein Traumblick, direkt aufs Wasser, direkt nach Osten in den Sonnenaufgang. Nach zwei Tagen bereits vertraut.


Doch heute fehlt etwas und das Bild passt für mich so überhaupt nicht: Der Anleger ist verlassen und leer. Die Masten der Selma sind verschwunden, genauso wie Piotr, Voy, Ewa. Diese Leerstelle schmerzt.

Ich war nie wirklich gut im Abschied nehmen. Erst recht nicht, wenn dies bedeutet, am Pier, an Land zurückzubleiben, während „mein“ Schiff wieder in See sticht und langsam in Richtung Horizont verschwindet. Oder – wie gestern – in die Dunkelheit der Nacht.

Schiff ahoi

Gestern am späten Abend war es schließlich soweit. Es kam, wie es irgendwann kommen musste. Es war an der Zeit, Abschied zu nehmen. Zumindest von der Selma und von Piotr, Voy und Ewa. Abschied nach sieben gemeinsamen Wochen mit einer langen Vorgeschichte, nach einem wunderbaren Abenteuer, einer fantastischen Reise mit einem perfekten Team und einem ganz besonderen Spirit und Zusammenhalt an Bord.

Wir haben uns in Etappen voneinander verabschiedet. Sind vor zwei Tagen von Bord gegangen und haben unser Quartier hier in Stanley im ehemaligen Bootshaus bezogen. Haben einen wunderbaren Abschiedsabend verbracht, ausgiebig gegessen, getrunken, gefeiert, gesungen, geredet, gelacht. Und noch einen letzten gemeinsamen Ausflug gemacht, zu den Königspinguinen am Volunteer Point. Doch während wir noch ein paar Tage Zeit hier auf den Falklands haben, müssen Piotr, Voy, Ewa und die Selma zurück nach Ushuaia.



Es fällt oftmals schwer, loszulassen. Besonders aber nach einer solch intensiven Zeit voller gemeinsam geteilter Erlebnisse.

So viel geht einem in solchen Momenten durch den Kopf, so viel möchte man noch sagen – aber sucht vergeblich die richtigen Worte. Glücklicherweise braucht es die manchmal gar nicht. Eine stille, feste Umarmung tut es auch.
Und so standen wir gestern Nacht im Licht des Vollmondes gemeinsam noch einmal an Deck, im Kreis, Arm in Arm, unsere Köpfe zusammengesteckt – ein eingeschworenes Team. Lange, schweigend. Jeder ganz bei sich und doch getragen vom Miteinander-Sein. Es war ein herzlicher Abschied voller Wärme und erfüllt vom Spirit der gesamten Reise.

Diesen Moment werde ich für immer in meinem Herzen bewahren, so wie auch jeden einzelnen Moment dieser letzten Wochen. Ich werde sie vermissen, diese zehn Menschen, die Selma, das Leben an Bord. Das Eis, das Licht des Südens, die Weite des Südpolarmeers, Wind und Wellen, den Horizont und das gemeinsame Unterwegs Sein auf dem Ozean, im Hier und Jetzt.

Lange stehen wir so, dann lösen wir erst uns voneinander und wenig später die Leinen. Die letzten Worte und Wünsche fliegen hin und her, ein allerletzter Gruß aus dem Horn, dann verschwindet die Selma kurz vor Mitternacht langsam in der Dunkelheit. Irgendwann ist nur noch das weiße Topplicht zusehen, gleich einem Stern am Nachthimmel.

Wir stehen schweigend an der Pier, die Augen feucht, voller Wehmut und Dankbarkeit. Und das Herz voller Hoffnung und Gewissheit, dass dies nur ein Abschied auf Zeit ist. Nicht umsonst heißt es Auf Wiedersehen. Hasta luego.
Auf bald also, liebe Selma. Wir werden uns wiedersehen, da bin ich mir sicher.

Gute Reise, fair winds. Und danke für alles.

Ein Kommentar

  1. Es war und ist noch immer unglaublich beeindruckend und auch herzerwärmend, diese Reise im Internet zu begleiten; traumhafte Bilder und so schön geschriebene Berichte. Und ab-und-zu von der Familie zu hören, dass das Abenteuer gut verläuft und immer wieder ein glückliches Lebenszeichen bei den Lieben ankommt, war dann auch sehr schön. Vielen Dank, dass wir ein bisschen dabeisein durften.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert