Da die Wetterprognose für die Drake Passage ein ausgewachsenes Sturmtief vorhersagt, haben wir zwei Tage Zeit in Puerto Williams auf der Isla Navarino.
Wir liegen an einer Mooring Boje gut geschützt vor dem kräftig blasenden Wind aus West, zum Landgang setzen wir mit dem Dinghi an den Steg des hiesigen Yachtclubs Micalvi über. Dieser ist auf einem ehemaligen deutschen Rheindampfer beherbergt und dient gleichzeitig als Anleger für Segelboote. Unzählige Flaggen und Wimpel bisheriger Boote schmücken Wände und Decke, auch wir hinterlassen unsere Spur in Form eines Sailing SOUTH 2024 Stickers.
Auch wenn Puerto Williams genau wie Ushuaia den Titel der südlichsten Stadt der Welt für sich beansprucht, ist Stadt vielleicht ein bisschen zu hoch gegriffen. Gut 2.300 Einwohner leben hier, ca. 67.000 sind es in Ushuaia. So ist das Zentrum von Puerto Williams überschaubar, der zentrale Platz und auch die Gebäude eher klein.
Genauso unscheinbar wie die Stadtmitte ist auch ein kleines Denkmal in unmittelbarer Nähe davon, welches wir fast übersehen: Hier steht ein Teil des Bugs der Yelcho, jenes chilenischen Marineschiffes, mit dem Shackleton am 30. August 1916 unter Kommando von Luis Pardo schließlich nach mehreren gescheiterten Versuchen seine 22 zurückgebliebenen Männer von Elephant Island rettete.
Tag 1 – Cerro Bandera
Das Wetter ist uns wohlgesonnen, ein Teil entscheidet sich für eine Wanderung auf den Cerro Bandera, auf dessen Gipfel die namensgebenden chilenische Flagge weht und eine grandiose Aussicht den steilen Aufstieg belohnt. Zunächst durch wilden Urwald nicht nur einmal den richtigen Pfad suchend kommen wir vor allem im extrem steilen, über offenes von Sträuchern, Beeren und Flechten bewachsenes Gelände oberhalb der Baumgrenze ordentlich ins schwitzen – wer hätte das gedacht, dass uns selbst im Unterhemd noch zu warm ist … doch oben angekommen weht die Flagge stramm im kräftigen Wind. Schnell sind Pullover, Jacken und Mützen wieder angezogen. Die Aussicht auf den Beagle Kanal, Puerto Williams bis weit nach Ushuaia im Westen ist atemberaubend schön, majestätisch tronen die Dentes de Navarino über der Insel. Der frische Schnee der letzten Nacht ist bereits wieder verschwunden.
Tag 2
Am nächsten Morgen gibts eine ausführliche Einweisung ins und ums Boot, Sicherheit an Bord, Segel und Co. Die Wachen haben wir bereits am Vorabend bei Bier und Pisco Sour in der hiesigen Bar eingeteilt.
Den Rest des Tages erkundet ein Teil den Fluss und die Bucht mit dem Dinghi, das mountaineering Team kramt sämtliches Hochtouren Equipment aus den Tiefen der Bänke und Zwischenräume in der Messe und sortiert Gurte, Karabiner, Schlingen etc. Wir bereiten für jeden von uns passende Prusikschlingen vor und haben eine Menge Spaß, die Selbstrettung, den Aufstieg am Seil, oben an Deck zu üben und prusikken uns an zwei freien halyards hoch und runter.
Den Abend vor dem für den kommenden Tag geplanten Aufbruch verbringen wir alle gemeinsam in der Bar – es wird ein wundervoller, langer Abend, viel getanzt, gelacht und gesungen. Wer hätte gedacht, dass alle Crew Mitglieder gern da Tanzbein schwingen. Erst spät in der Nacht gehts mit dem Dinghi zurück an Bord in die Kojen.
Vor der Abreise am Montag steht erneut das offizielle Behördenprogramm bevor – das gleiche Prozedere wie bei der Einreise, diesmal in umgekehrter Reihenfolge. Erneut ziehen wir also los zur prefectura um nachzuweisen, dass wir nichts zu verzollen haben, keine Waren schmuggeln und auch nach zwei Tagen noch immer so aussehen wie die Fotos in unseren Pässen. Am Nachmittag fliegt Michael, der bisherige Skipper mit einem Heli nach Ushuaia und verabschiedet sich schweren Herzens von Bord der Selma.
Wir nehmen eine letzte Dusche auf der Micalvi, bunkern Frischwasser, verstauen das Dinghi wieder in der Vorpiek und sind startklar und bereit für den nun endgültigen Start nach Süden.