Wir setzen Kurs Süd. Lassen Tower Island und Trinity Island steuerbords liegen. Das ungemütliche Wetter und zahlreiche Eisberge bleiben unsere Begleiter. Am Bug werden Strahler für die Nacht installiert. Abends beginnt es zu schneien. Im Licht der Bugscheinwerfer verweht der kräftige Wind die Schneeflocken zu weißen horizontalen Streifen, stroboskopartig. Die Sicht ist gleich Null. Wir lassen die Lampen aus und starren lieber ins Dunkel. Mit Hilfe des Radars arbeiten wir uns durch die Nacht nach Süden. Das Morgengrauen lässt sich Zeit. Die Wache am Ruder wird zur Geduldsprobe. Nur langsam tauchen die ersten Schemen der Eisberge aus der Dunkelheit auf, so dass wir uns endlich wieder auf unsere Augen verlassen können. Der Schnee der vergangenen Nacht bedeckt weiß und nass alles an Deck. Schnee schippen ist angesagt.
Mit dem Tageslicht kommt die Helligkeit zurück, es klart etwas auf, sogar die Sonne lässt sich etwas blicken. Wir nähern uns langsam dem gut besuchten Teil der Antarktis und treffen ab und an ein Kreuzfahrtschiff. In der Mehrheit sind es jedoch Wale, die wir in der Gerlache Strait sichten. Sie kommen uns meist entgegen, ziehen in einiger Entfernung nordwärts an uns vorbei. Oft einzeln, manchmal zu zweit, im Viertelstundentakt. Irgendwann hören wir auf zu zählen und der laute Ruf des Rudergängers „Wal“ ertönt nur noch selten.
Wir stoppen am Nachmittag kurz in Cuverville Island. Die Sonne strahlt über einer alpinen Gletscherkulisse. Die Szenerie ist fantastisch, Pinguine rufen und springen um die Wette, auf der Insel leuchten farbenprächtige Flechten und Moose. Wir treffen die Spirit of Sydney und ankern in deren Nähe. Die Yacht von Darrel wäre auch eine Option für uns gewesen – wir sind jedoch sehr froh, uns für die Selma entschieden zu haben.
Auf einer kleinen Insel liegt das Wrack eines kleinen Holzbootes neben einer im Gegensatz dazu riesigen rostigen Kette – die Frage, wie beides zusammen passt, lässt sich nicht beantworten, wahrscheinlich sind es Überbleibsel aus Walfängerzeiten. Auf Cuverville lebt eine Gentoo Pinguin (Eselspinguin) Kolonie. Wir gehen an Land und haben Zeit, das bunte Treiben zu beobachten. Auch hier wieder zahlreiche Küken, die hungrig ihren Eltern hinterher eilen, unentschlossene Schwimmer, neugierige Exemplare, die sich über uns merkwürdige Riesenpinguine wundern mögen. Ein Pinguin Highway – eine schmale Schneise im Schnee – führt den Hügel hinauf. Es sieht lustig aus, wenn die kleinen Kerle hinauf wandern, vor allem, wenn sie sich entgegen kommen und entscheiden, wer zuerst am anderen vorbei darf.
Die Ausfahrt aus der Bucht ist äußerst eisig und kostet entsprechend viel Zeit. Wir passieren den Errera Channel und die Graham Passage. Schmal, links und rechts alpin aufragende, von Gletschern bedeckte Gipfel. Um Mitternacht fällt der Anker in Hidden Bay, südlich von Paradise Bay, eine klitzekleine Bucht, von Gletschern umgeben. Hier verbringen wir gut geschützt die Nacht. Die Ankerwache ist diesmal besonders schön: der Vollmond verschwindet hinter dem Gletscher und macht einem klaren Sternenhimmel Platz, der sich über dem Firmament und zwischen den Masten der Selma aufspannt. Das Eis um uns herum bleibt meist ruhig, nur im Gletscher kracht und knallt es ab und an, irgendwo geht eine kleine Lawine ab, man hört es rumpeln und Minuten darauf die Welle in die Bucht rauschen. Die Selma schaukelt leicht hin und her und wiegt uns sanft in einen wohlverdienten Schlaf.