Enterprise Island Governoren

Es ist bereits Nachmittag, als wir Enterprise Island erreichen. Es ist grau, trüb. Aus den tief hängenden Wolken fällt leichter Niesel.

Nahe einer von einem Gletscher eingefassten Bucht lassen wir den Anker fallen. Hier in Foyn Harbour liegt das rostige Wrack der Governøren. Das Schiff fungierte Anfang des 20. Jahrhunderts sozusagen als schwimmende Walfabrik. Vom Walfang bis zur Verarbeitung des Blubber zu Öl wurde alles an Bord erledigt. Es gehörte zu den größten und technisch fortgeschrittensten Walfabrikschiffen seiner Zeit.

1915 geriet die Governøren in Brand. Der Kapitän setzte es hier auf Grund, um Mannschaft und einen Teil der Fracht zu retten. Die 85 Mann Besatzung blieben unversehrt. Das Wrack wurde zu einer Erinnerung an die Geschichte des Walfangs in der Antarktis. Halb versunken, rostig, trotzig aus dem Wasser aufragend, noch immer imposant ist es heute zur Heimat von Antarctic Terns (Küstenseeschwalben) geworden. Auch im näheren Umkreis zeugen weitere Überbleibsel von diesen historischen Zeiten: zahlreiche Festmacher an den felsigen Küsten der Inseln, rostige Ketten oder hölzerne Wasserboote, die damals der Frischwasserversorgung dienten.

Das trübe, graue und nasse Wetter passt irgendwie zum Verfall der vor sich hinrottenden Relikte und zu diesem durchaus düsteren Kapitel der Antarktis.

Glücklicherweise haben sich die Zeiten geändert und die Walbestände wieder etwas erholt. Es gibt sie hier wieder. Wenn auch nicht ganz so zahlreich wie zu Ende des 19. Jahrhunderts, haben wir doch auch heute wieder viele von ihnen gesehen und – im Nebel – vor allem gehört.

Auch jetzt hören wir sie wieder in der Nähe blasen, atmen… irgendwo hier müssen welche sein. Und wir machen uns auf mit dem Dinghi, wollen unser Glück versuchen, sie zu finden.

Wir tasten uns knapp zwei Stunden durch den Nebel, stoppen immer wieder, lauschen. Stille, keiner wagt zu atmen. Da! Wir hören einen Blas! Versuchen Richtung und grobe Entfernung auszumachen, was bei diesen Verhältnissen schwer ist. Die Stille und der Nebel tragen die Geräusche meilenweit. Wir fahren ein Stück in die vermutete Richtung und starten das Spiel von neuem. Wieder und wieder. Die Wale halten uns zum Narren, mittlerweile ist der Blas aus mehreren Richtungen zu hören. Wir entscheiden uns für eine und haben Glück. Unsere Geduld wird belohnt: irgendwann lichtet sich der Nebel und in einiger Entfernung können wir sie sehen. Es sind drei Buckelwale. Ein vierter nähert sich aus einer anderen Richtung. Wir fahren ihnen mit dem Dinghi noch ein Stück entgegen. Dann stellen wir den Außenbordmotor ab, lassen uns treiben und beobachten sie still und ehrfürchtig. Sie kommen langsam näher, alle vier, sind irgendwann bei uns, neben uns. Schwarzglänzend. Tauchen auf, ab, wieder auf, unter uns hindurch. Wir halten den Atem an. Die Wale blasen, atmen, schnaufen in ihrem ganz eigenen, ruhigen Rhythmus. Dieses archaische Geräusch, diese Riesen der Ozeane so nah bei uns – das ist unglaublich beeindruckend, macht immer wieder Gänsehaut. Eine Begegnung, ein Erlebnis, das unter die Haut geht.

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