Vor zwei Tagen, am Sonntag, haben wir morgens früh um vier den Anker gelichtet, Deception Island verlassen und Kurs 060 auf Elephant Island gesetzt. Gut 200 Seemeilen liegen zwischen diesen beiden Inseln, die beide zu den South Shetland Islands gehören. Wir haben uns entlang der Küste auf der Westseite der Bransfield Strait gehalten und nach und nach die Inselkette passiert.
Auf Höhe der Südostecke von Robert Island kreuzten wir Selmas alten Track, den unserer Ankunft in der Antarktis Anfang Februar, nach Querung der Drake Passage. Seitdem ist eine gefühlte Ewigkeit vergangen, haben wir viel erlebt.
Über die Nacht legten wir nach circa 70 Meilen nochmal einen Stopp ein und ankerten in Potter Cove, King George Island vor der argentinischen Station Carlini. Die nächsten Tage und Nächte werden wir genug unterwegs sein, da tut eine letzte Pause und ruhige Nacht ohne Eisnavigation nochmal gut. Am später einsetzenden Morgengrauen merkt man bereits, dass wir den Süden langsam hinter uns lassen.
Auf dem Weg entlang der South Shetlands haben uns erneut viele Wale begleitet, überall um uns herum war Blas zu sehen, manchmal 10 bis 12 gleichzeitig. Diesmal waren es größere Gruppen Seiwale, die entlang der Küste wanderten. Viele Pinguine – Gentoo und Chinstrap Pinguine – waren unterwegs, ebenfalls in größeren Scharen, die, wenn der Bug der Selma ihnen zu nahe auf die Pelle rückte, reißaus nahmen und wie Torpedos aus dem Wasser schießend das Weite suchten. Mehrfach haben uns auch Pelzrobben eskortiert, in kleinen Gruppen von drei oder vier Tieren, geschmeidig und in eleganten Bögen durchs Wasser springend, schwimmend, tauchend.
Die Eisberge werden immer seltener. Wir freuen uns über jeden, wohl wissend, dass einer von ihnen der letzte sein könnte, dem wir auf unserer Reise nach Norden im Kielwasser lassen. Dem Koloss A23A werden wir ja leider nicht begegnen – dieser mit 4000 km2 bis dato größte Eisberg der Welt ist derzeit zwischen Elephant Island und den South Orkney Inseln unterwegs.
Abends frischt der Wind auf, endlich sind wir aus dem Windschatten von King George Island heraus. Das offene Südpolarmeer begrüßt uns mit einer ziemlich hohen Dünung und perfektem Segelwind um die 20 Knoten. Die Fock leuchtet warm in der Abendsonne, Wind aus 150-160 Grad von Achtern und die sechs Meter Welle schieben uns ordentlich vorwärts. Wir laufen nur mit dem Vorsegel neun Knoten, die Selma rauscht durch die Nacht, eine riesige Welle, vom Schaum weiß gekrönt ab und an mit Getöse unter uns durch. Dann hebt es uns weit hinauf auf den Wellenkamm und wir surfen hinab in die weiße Gischt. Das Meer schäumt und brodelt, als würde es kochen. Es macht riesigen Spaß, am Steuer zu stehen, durch die Nacht zu segeln, nichts herum als Ozean, tanzende Wellenberge und später sogar ein paar Sterne am Nachthimmel.
Später taucht etwas Eis auf dem Radar auf. Wir sind zu schnell unterwegs – für die Eisverhältnisse und für eine Ankunft bei Tageslicht – und wechseln vom großen Vorsegel auf den kleineren Klüver.
Später wird sogar auch dieser für zwei Stunden geborgen, wir laufen ohne Segel vor Top und Takel, machen immer noch drei bis vier Knoten Fahrt. Jetzt sind es nur noch Wind, Wellen und Strömung, die uns vor sich her schieben. Die Selma rollt unerträglich von links nach rechts, aber sie tut dies immerhin passend zum Kurs. Selbst als wir später wieder Segel setzen, bleiben wir Spielball der hohen Wellen. Wir in unseren Kojen rollen genauso, an erholsamen Schlaf ist nicht zu denken.
Wirkliche Beschwerden darüber gibt es jedoch nicht: Immerhin sind wir nach viel Einsatz von Mr. Perkins standesgemäß segelnd nach Elephant Island unterwegs.