Die Zeit im Weddell Meer war so unerwartet, wie fantastisch. Ursprünglich ja gar nicht geplant (außer vielleicht mal den Bug in den Antarctic Sound zu richten) wurde diese Planänderung zu einem ganz besonderen Erlebnis. Wir haben es tatsächlich geschafft, James Ross Island zu runden!
Das Glück ist mit den Tüchtigen, sagt man. Wir haben das große Glück, mit Piotr einen neugierigen, abenteuerlustigen Skipper zu haben, der – wie wir – interessiert ist und Lust hat, lieber neue, unbekannte Wege zu gehen als ausgetretene Pfade, lieber an unbekannten Orten auf Entdeckungsreise zu gehen, als bekannte Ziele anzusteuern. Wir hatten das Glück passender Bedingungen (Eis, Wetter) und haben sie genutzt. Ob tüchtig oder nicht, in jedem Fall war es die richtige Entscheidung.
Wir wurden belohnt mit einer geglückten Rundung – als kleine Segelyacht eine absolute Seltenheit, wenn nicht vielleicht sogar Premiere. Wir wissen es nicht. Was wir aber wissen ist, dass die Bedingungen ein solches Unterfangen nur in den seltensten Fällen überhaupt möglich machen. Zu unsicher das Wetter, zu viel Eis bedeckt in der Regel auch im antarktischen Sommer in diesem Teil des Weddell Meeres. Selbst die großen und ungleich stärkeren Expeditionskreuzfahrtschiffe sind hier so gut wie nie anzutreffen. Wir haben kein einziges von ihnen zu Gesicht bekommen.
Wir wurden empfangen von einer Landschaft, die ihresgleichen sucht und mit der der Westseite der Peninsula nicht vergleichbar ist.
In der Duse Bay betraten wir bei View Point das erste Mal den Antarktischen Kontinent. Die Vulkaninsel Beak Island empfing uns zauberhaft in frischen Schnee getaucht, ein Traum in schwarzbraun-weiß und bescherte uns eine kleine morgendliche Schneeballschlacht. Gummistiefel wurden gegen Wanderschuhe getauscht, wir hatten Zeit für Erkundungen auf eigene Faust bei Sonne, klirrender Kälte und eisigem Wind: Wanderungen, kleine Seen, Gipfelglück und ein grandioser Panorama-Rundumblick. Skuas verteidigten vehement ihre Nester und Küken. Wir stolperten fast über Pelzrobben am schwarzen Strand, von weißen in der Sonne leuchtenden Eisblöcken gespickt.
Wir kämpften uns im Prince Gustav Channel auf der Suche nach einem geeigneten Ankerplatz erfolglos eine Nacht lang durch dichtes Treibeis und Finsternis, bahnten uns mit der Eisstange einen Weg, immer wieder erwiesen sich Wege als Irrwege, schloss sich das Eis undurchdringlich vor uns oder füllte eine angepeilte Bucht von vornherein aus. Try and Error, vor und zurück, auf einen gescheiterten Versuch folgte ein nächster. Das erste Mal wurde uns am eigenen Erleben bewusst, welche Macht dieses Eis hat. Wie stark und mächtig es ist, wie eng Erfolg und Scheitern beieinander liegen.
Auch der Herbert Channel konfrontierte uns wieder mit viel Eis, knapp 40 Knoten Wind und ordentlich Welle auf die Nase. Wir fanden Schutz auf der Südseite von Vega Island, nahe Cape Lamb, genossen etwas Ruhe nach anstrengender Nachtfahrt und entdeckten später an Land Unmengen von Fossilien, die belegen, dass es hier nicht immer so ausgesehen hat wie jetzt.
Auf Devil Island fanden wir zwar nicht den Teufel, dafür aber eine große Kolonie Adelie Pinguine, in deren munteres Treiben wir ein paar Stunden eintauchten.