Umgezogen

Mein neues Zuhause

Ich bin umgezogen!

Der Umzug aus meiner 3-Zimmer-Wohnung in eine 7-Zimmer-WG mit sechs Doppel-Kabinen, einem Bad, separater Toilette, Küche und Salon, sowie einem gemütlichen Greenhouse, ist geglückt.
Ich wohne nun seit fünf Wochen mit meinen 10 WG-Mitgliedern in meinem temporären Zuhause: der schwimmenden und schaukelnden Selma, einer 20 Meter langen Stahlketsch.

Und ich fühle mich sehr wohl hier.

Ihr seid sicher neugierig wie es bei uns, in meinem neuen Zuhause, aussieht?
Na dann – ich nehme euch gern mit auf einen kleinen Rundgang durchs Schiff und zeige es euch.


Die Vorpiek

Starten wir in der Vorpiek, unserem begehbaren Kühlschrank (wer hat dies schon zuhause?) und gleichzeitig auch unser Lager und Geräteraum. 

Durch eine große Luke auf dem Vordeck gelangt man in die Vorpiek.

Zu Beginn unserer Expedition haben wir in Ushuaia all unsere Vorräte durch diese Luke in der Vorpiek verstaut.

In der Vorpiek lagern wir all unsere frischen Lebensmittel, wie Kartoffeln, Gemüse, Früchte, Käse, Butter, Fleisch, Wurstwaren etc. Teilweise in offenen Kisten in Regalen, manches aber auch unter den Bodenbrettern in der wassergekühlten Bilge.

Außerdem ist hier alles verstaut, was wir für unsere Expedition auf See und an Land benötigen: zwei Zodiacs, der Außenbord-Motor für’s Zodiac, aufblasbare Kajaks, Pulka-Schlitten, Schneeschuhe und vieles mehr. 

Auch unser Abfall wird hier während der gesamten Reise in zwei Fässern gelagert, bis wir ihn am Ende unserer Expedition wieder auf dem Festland entsorgen können. Diese zwei grauen Fässer werden tatsächlich für all unseren Müll – 11 Menschen, 7 Wochen – ausreichen! Über Bord geht südlich des 60. Breitengrades übrigens absolut nichts.

Alles ist gut verstaut und gesichert für die Fahrt und das Segeln bei rauer See.

Auch die Ankerkette im Ankerkasten hat in der Vorpiek ihren Platz.


Wir haben ausreichend Vorräte für die 7 Wochen unserer Expedition an Bord. Doch nicht nur das – wahrscheinlich würden diese locker auch für die doppelte Zeit reichen.

Eingekauft hat Piotr unter vielem anderen: 500 Eier, 12 Kilo Kaffee, 40 frische Brote und 6 Toastbrote, 30 Liter Milch, 60 Liter Milchpulver, 45 kg Kartoffeln, 15 kg Süsskartoffeln, jede Menge Kisten mit Gemüse und Äpfeln, außerdem Mehl, Porridge … und ganz viele Süßigkeiten.

Außerdem 1 1/2 Rollen Toilettenpapier pro Tag. Na dann rechnet mal schön.

Die Eier werden alle zwei Wochen gedreht. Alles Gemüse (Paprika, Tomaten, Avocado, Eisbergsalat, Broccoli, Salatgurken, Rote Beete, Rot- und Weisskohl, Kürbis, Zwiebeln, Petersilie, Schnittlauch, Knoblauch, Rosmarin) haben wir regelmäßig kontrolliert und aussortiert, was umgehend oder in den nächsten Tagen verbraucht werden muss.


Von der Vorpiek, dem offenen Kühlschrank, geht es in die Durchgangs-Steuerbordkabine Nr. 1, mein und Karens Zuhause. Die untere Koje habe ich belegt. Aus meiner Koje habe ich auch die Vorpiek im Blick.

Weiter geht es vorbei an der Backbordkabine Nr. 2, da wohnen Paula (oben) und Unda (unten)…

… in den Salon oder die Messe.


Der Salon – unser Wohnzimmer

Hier im Salon ist genügend Platz für uns alle zum Essen. Dies ist auch der Treffpunkt für Gespräche, zum Diskutieren, Feiern und das gemütliche Zusammensein genießen, sowie ein idealer Platz zum Lesen, Musik machen, Singen oder auch für Yogalektionen.


Im Salon befindet sich neben dem Aufgang eine Garderobe für die Segelbekleidung. Außerdem hängt hier der Wachplan, nebenan befindet sich die Bibliothek und unsere stark frequentierte Power-Station.


Rotlicht-Bezirk

Nachts wird der Salon – wie das gesamte Schiff – zum Rotlicht-Viertel. Warum? Das könnt ihr hier in Paulas Logbucheintrag nachlesen.
Einzige Ausnahme: Stromausfall. Dann müssen die Stirnlampen ran und dürfen mit weißem Licht leuchten.


Der Wellnessbereich

Das lichtdurchflutete, natürlich belüftete, geräumige Bad, wo wir schon mal zum Zähneputzen anstehen (dafür nutzen wir die gemütliche Bank im Salon), grenzt unmittelbar an den Salon und liegt vor der ruhigsten Kabine, Nr. 3. 
Unsere erste und angenehm warme Dusche haben wir nach zwei Wochen im Weddellmeer auf Beak Island genossen, sonst war Waschen auch mal mit erfrischendem Antarktis-Wasser angesagt – da wurde man schnell wach.

Kabine Nr. 3 – Ruhig? Da hier – mittschiffs – die raue See nicht so spürbar ist, heißt es.

Hier haben Alan und Peter ihr Reich.

Und das Kabine Nr. 3 ruhig ist, stimmt offenbar.


Die Kombüse

Auf der Steuerbordseite können wir unsere Kochkünste zum Besten geben. Unsere Küchenzeile ist mit allem Notwendigen ausgerüstet, inklusive Backofen, wo wir nun, da alles frische Brot gegessen ist, unser Brot selberbacken. Doch nicht nur Brot kommt hier immer wieder aus dem Ofen: Zopf, Zwiebelbrot, Körnerbrot, Semmeln, Brownies, Kuchen… All dies haben die verschiedenen Köche und Köchinnen bereits hervorgezaubert.
Gekocht wird übrigens immer in Zweier-Teams und zwar abwechselnd für einen ganzen Tag. Und: wer in der Galley (Kombüse) ist, hat ansonsten an diesem Tag wachfrei.

Je nach Seegang und Temperatur ist das Kochen an Bord eine echte Herausforderung. Schließlich sind wir leider nicht – wie der Herd – kardanisch gelagert. Da trägt Frau auch mal Mütze und stemmt sich in voller Schräglage gegen die Wellen.

Vor dem Kochen: Einkauf in der Vorpiek – und dann geht’s los …


Köstlichkeiten aus der Kombüse

Porridge mit frischem Fruchtsalat ist unser täglicher Frühstückklassiker.

Die Speisekarte ist ansonsten ziemlich lecker, abwechslungsreich und oft reichlich. Mittags und abends wird immer warm gekocht, nur selten gibt es mal ein kaltes Buffett. Bei starkem Seegang gibt’s bevorzugt Eintopfgerichte, die leicht aus einer Schüssel zu essen sind. Und ganz oft – egal bei welchem Wetter – werden köstliche Desserts serviert, meist gezaubert von Ewa und Voy.


Bevor das Geschirr in die Küche zum Abwaschen geht, wird übrigens – ganz Tradition an Bord – fleißig vorgespült. Das macht’s dem Küchenteam leichter und spart außerdem Wasser und Spülmittel.


Mr. Perkins und die Heck-Kabinen

Der Mittelpunkt der Selma ist der Motorraum, zwischen Kombüse und Kabine Nr.3 und 5.


Piotr ist nicht nur Skipper, sondern auch Maschinist und verbringt immer mal wieder etwas Zeit dort, um zu schauen, ob es Mr. Perkins gut geht oder dafür zu sorgen, dass es ihm an nichts fehlt und alles wie geschmiert läuft.

Die hinteren beiden Kabinen Nr. 5 und Nr. 6 sind von Gerhard und Jan, sowie dem Co-Skipper-Paar Ewa und Wojtek belegt.

Die Kabine Nr. 7 dient als Vorratskammer und kann auch als Gästeschlafplatz genutzt werden.

Ivan, Wissenschaftler und Biologe von der ukrainischen Forschungsstation Vernadsky, hat uns eine Woche Richtung Süden bis zur Insel Adelaide begleitet und seine Koje hier in Nr. 7 bezogen.


Das Greenhouse

Das Herzstück und mit dem Salon der meist genutzte Bereich der Selma ist das Ruderhaus / Pilothouse – liebevoll Greenhouse von uns getauft, da es hier am wärmsten ist – wie in einem Gewächshaus.

Unser Skipper Piotr hat hier seine Koje. Ein perfekter Platz, da er so alle Navigationssysteme, Wind, Wetter, Segel und Steuerstand immer in Sichtnähe hat und bei Bedarf umgehend reagieren kann.

Außerdem wird das Pilothouse auch als Arbeitsplatz genutzt. Hier befindet sich der Kartentisch, Wettermodelle werden diskutiert, Routen geplant, Logbuch geschrieben, manchmal auch gespleißt …

Und direkt neben der Tür ist die Garderobe für nasse, triefende und tropfende Segeljacken.


Unsere Wohlfühlecke im Greenhouse (direkt auf den Schapps mit den Rettungswesten), wird vielseitig genutzt und ist sehr beliebt. Sie bietet eine herrliche Rundumsicht nach draußen, es ist gemütlich, warm und trocken.

Übrigens: Bei der Temperatur, welche online nebst unserer Schiffs-Position jeweils angegeben ist, handelt es sich nicht um die die Außentemperatur – falls sich jemand über die hohen Temperaturen gewundert hat, sondern um die Temperatur im Pilothouse.


Der Außenbereich

An Deck befindet sich natürlich der Steuerstand für den Rudergänger.
Hier werden die Segel gesetzt und Manöver gefahren. Vor dem Großmast ist meist das Dinghi festgelascht, und auch die Kajaks hatten hier zeitweise ihren Platz auf der Steuerbordseite. Vorn am Bug steht die Eiswache, ausgerüstet mit dem Eis-Stick: einer langen Stange, um treibende Growler und Schollen beiseite zu schieben, Kollisionen zu verhindern und der Selma den Weg durch das Eis freizumachen. Und hoch oben im Besanmast ist auch der Platz für den Ausguck, um einen Weg durch Treibeisfelder zu erspähen.


Aber das Deck ist nicht zur zum Arbeiten da. Hier genießen wir auch die fantastische Sicht auf Meer, Horizont, Wellen, Wale, Albatrosse und andere Seevögel, Pinguine, Robben, Eisberge und all die fantastischen Landschaften der Antarktis, genauso wie ab und an blauen Himmel und Sonnenschein. Wir wärmen uns in der Sonne, ruhen uns aus, führen Gespräche, fotografieren, halten uns fit mit ein paar Liegestützen oder lauschen Alan beim Gitarrenspiel.
Und manchmal – wie zum Beispiel nach der Querung der Drake Passage oder am Point Wild auf Elephant Island – wird hier auch angestoßen.



Ganz besondere Vorkehrungen werden übrigens vor jedem Landgang getroffen.

Bevor wir unseren ersten Ausflug auf antarktischen Boden machten, mussten wir all unsere Kleidung, Rucksäcke, Taschen etc. gründlich reinigen (inkl. sämtlicher Innentaschen und der Klett-Verschlüsse!), sorgfältig aussaugen und alle Steinchen aus den Schuhsohlen entfernen. Dies ist eine Schutzmaßnahme, um auf keinen Fall irgendwelche Verunreinigungen, Keime, Samen oder ähnliches in die Antarktis einzuschleppen.

Außerdem werden vor und nach jedem Landgang die Stiefel und Schuhe desinfiziert und deren Sohlen vollständig abgebürstet und gereinigt.



Ich genieße jeden Tag meiner WG-Zeit.
Die fröhlichen, lieb gewonnenen und lebenslustigen Mitbewohner machen dies auch leicht. Wir sind eine tolle Gemeinschaft. Die Bilder sprechen für sich, es geht mir, es geht uns gut.

Ich bin wirklich angekommen!

Angekommen sein bedeutet für mich auch, wenn ich zu meiner neu gewonnenen Freundin Unda sage, gehen wir noch mal an die frische Luft? Dabei waren wir ja schon den ganzen Tag während des Segelns an draußen …

Zuhause ist dies vielleicht ein kurzer Spaziergang. Hier in der Antarktis heißt es zum Beispiel vor dem Abendessen noch eine kleine Runde im Kajak zu drehen, entlang der Küste, wo wir gerade vor Anker liegen …



Leider ist mein Aufenthalt hier auf der Selma begrenzt. Schon bald werden wir erneut umziehen – in unsere Apartments auf den Falklandinseln.

Das gemeinsame Leben an Bord der Selma ist einfach wunderbar. So könnte ich mir eine Alters-WG vorstellen!

My dear friends Ewa, Karen, Paula, Unda, Alan, Gerhard, Jan, Peter, Piotr, Voj – I miss you so much.
(Dieser Logbuch-Eintrag wurde mit großer Verspätung zuhause am Computer fertiggestellt) 😊

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert