Pläne sind so eine Sache. Besonders hier unten, tief im Süden. Hier ist der Mensch nur ein klitzekleines Rädchen im unendlich größeren Lauf der Natur. Man muss flexibel sein und reagieren, wenn sich die äußeren Umstände ändern. Damit haben wir natürlich gerechnet – sich dem Wetter, dem Wind und den mitunter recht harschen Launen der Natur anpassen zu müssen. Deshalb gab und gibt es auch nur eine grobe Route und einen ungefähren Zeitplan, an der / dem wir uns entlang hangeln wollen, so wie es uns die Antarktis eben erlauben würde.
Das zu den Dingen, die unsere Pläne durchkreuzen würde ein Virus gehören könnte, damit haben wir jedoch nicht gerechnet. Doch leider ist dies mit dem hochpathogenen Vogelgrippe Virus der Fall.
Bereits zu Jahresbeginn war klar, dass der Nachweis des Virus in Südgeorgien und dessen Ausbreitung unser Vorhaben und die Möglichkeiten, in Südgeorgien anzulanden und sich dort bewegen zu können, beeinflussen würde. Selbst zu „normalen“ Zeiten ist es nicht leicht und mit zahlreichen Auflagen verbunden, überhaupt eine Genehmigung für den Besuch dieser einzigartigen subantarktischen Insel zu bekommen.
Nach Ausbruch der für zahlreiche Seevögel, aber auch Meeressäuger verheerenden Krankheit haben die Behörden schnell und klar reagiert, kompromisslos die Natur, die einzigartige Tierwelt der Insel und deren Schutz über alles andere gestellt und – auf das Ausbruchsgeschehen reagierend – nach und nach immer mehr Regionen zunächst teilweise, später komplett für Besucher geschlossen.
Ende Januar waren bereits fast alle Landestellen geschlossen und es wurde klar, dass wir unsere ursprünglichen Pläne wohl ändern müssen. Die historischen Orte, die Spuren Shackletons, seine letzte Ruhestätte … genauso unerreichbar wie die Tierwelt auf der Insel. 800 Seemeilen dorthin durchs Südpolarmeer und von dort zu den Falklands zu segeln und dann kaum oder möglicherweise gar nirgends an Land gehen zu können, macht daher nicht wirklich Sinn.
Das zu akzeptieren, war schwer und fällt noch immer nicht leicht. Schließlich war Südgeorgien ein zentraler Teil unseres Vorhabens. Wir haben viel hin und her überlegt, wie wir damit umgehen. Doch wie so oft hat jede Medaille zwei Seiten, kann sich auch aus negativen Dingen etwas Positives ergeben oder einfach gesagt: Jeder Scheiss ist eine Chance.
In unserem Fall heißt diese Chance Weddell Sea und / oder weiter nach Süden. Zum einen, weil wir die Zeit nun anderweitig nutzen und weitere Ziele ins Auge fassen können. Zum anderen, weil die diesjährige Eissituation es tatsächlich zulässt, in diesen aufgrund der schwierigen Eisverhältnisse – üblicherweise dichtes Packeis bis weit in den Norden – Teil der Antarktis, auf der Ostseite der Antarktischen Halbinsel vorzudringen. Eine Region, die nur sehr selten besucht und besegelt werden kann. Das Meer, das Shackleton und seiner Expedition zum Verhängnis wurde, deren Packeis die Endurance einschloss, zerdrückte und schlussendlich zu ihrem Grab wurde. Die Seite der Peninsula, auf der es zahlreiche selten besuchte Orte und noch viel Unbekanntes zu entdecken gibt. Und die historisch neben Shackleton auch mit anderen großen Namen, bsp. Otto Nordenskjöld und seiner Schwedischen Antarktisexpedition mit der Antarctica (1901-1904) verbunden ist.
Und so verzichten wir schweren Herzens auf Südgeorgien. Stattdessen wollen wir diese unverhoffte Chance ergreifen, wenn sie sich denn bietet und nehmen nun zunächst erwartungsfroh Kurs auf die Ostseite der Antarktischen Halbinsel, auf den Antarctic Sound und das Weddell Meer. Schließlich sind wir hier, um zu entdecken – und was gibt es Spannenderes, als wenn es sich dabei um unzugängliche und weniger bekannte Flecken dieser Welt handelt.